Der Pflege-TÜV – mehr Transparenz für Pflegeheime
Der neue Pflege-TÜV löst die bisherigen Pflegenoten ab. Er wird Pflegebedürftigen und Angehörigen mehr Transparenz der Ergebnisqualität in Pflegeheimen vermitteln.
Das richtige Pflegeheim finden, das soll in Zukunft einfacher werden. Seit dem 01. Oktober 2019 gilt der Pflege-TÜV, der die bisherigen Pflegenoten als Bewertungssystem stationärer Pflegeeinrichtungen ablöst. Das seit 2014 existierende System der Pflegenoten – so seine Kritiker – sei intransparent und lasse keine realistische Abbildung der Versorgungsrealität zu: schlechte Noten gab’s nicht und Mängel wurden nicht veröffentlicht. Kurzum: die Qualität einer Pflegeeinrichtung ließ sich damit nicht einschätzen.
Mit dem Pflege-Tüv sollen nun präzisere Informationen über einzelne Pflegeeinrichtungen erlangt und Qualitätsunterschiede besser erkennbar werden.
Er besteht aus insgesamt drei Elementen:
- einem Indikatorenansatz zur Beurteilung von Ergebnisqualität durch die jeweilige Einrichtung selbst (einrichtungsinternes Qualitätsmanagements nach § 113 SGB X),
- externen Qualitätsprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) bzw. den Prüfdienst der PKV sowie
- der neuen Qualitätsdarstellung für die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Indikatorensatz bedeutet: ab Oktober 2019 erheben stationäre Pflegeeinrichtungen halbjährlich intern Qualitätsindikatoren zur Versorgung ihrer Bewohnerschaft und übermitteln diese an eine unabhängige Datenauswertungsstelle (DAS). Von ihr erhalten die Pflegeheime eine Rückmeldung zum eigenen Qualitätsstatus. Das Resultat wird mit dem Durchschnitt aller geprüften Pflegeheime im Bundesgebiet verglichen.
Erhoben werden zehn Indikatoren in drei Qualitätsbereichen:
Qualitätsbereich 1: Erhalt und Förderung von Selbständigkeit
- Erhaltene Mobilität*
- Erhaltene Selbständigkeit bei alltäglichen Verrichtungen (z. B. Körperpflege)*
- Erhaltene Selbständigkeit bei der Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
Qualitätsbereich 2: Schutz vor gesundheitlichen Schädigungen und Belastungen
- Dekubitusentstehung*
- Schwerwiegende Sturzfolgen*
- Unbeabsichtigter Gewichtsverlust*
Qualitätsbereich 3: Unterstützung bei spezifischen Bedarfslagen
- Durchführung eines Integrationsgesprächs
- Anwendung von Gurten
- Anwendung von Bettseitenteilen
- Aktualität der Schmerzeinschätzung
* nach Risikogruppen getrennte Bewertung
Um die Richtigkeit und Gültigkeit der dokumentierten Ergebnisse der Einrichtungen festzustellen, wird ab November 2019 zusätzlich eine externe Qualitätsprüfung von MDK und PKV-Prüfdienst auf der Basis der Qualitätsprüfungsrichtlinien für die vollstationäre Pflege (QPR vollstationär) vorgenommen. Dies geschieht auf zwei Weisen:
Technische Überprüfung
Hierzu wird zunächst eine Software benutzt, welche die Glaubhaftigkeit der von der Einrichtung erfassten Ergebnisse überprüft (wurden ältere Eingaben lediglich kopiert? Gibt es unglaubwürdige Verbesserung in einem Bereich?)
Persönliche Kontrolle
Nach der softwaretechnischen Prüfung erfolgt ab November 2019 eine persönliche Kontrolle der Einrichtung durch den Prüfdienst. Sie wird einen Tag zuvor angekündigt. Bei dieser Prüfung wird eine zufällig ausgewählte Stichprobe aus neun Personen beurteilt. Der Prüfdienst vergleicht u. a., die Ergebnisse des Pflegeheims mit dem aktuellen Zustand des/r Bewohners/in. Die Bewohner/innen müssen hierzu eine Einverständniserklärung unterschreiben. Eine Beurteilung findet dann auf Basis der Pflegedokumentation, einem Gespräch mit den Fachkräften sowie den ausgewählten Bewohnern/innen und den Beobachtungen vor Ort statt.
Qualitätsbereiche des neuen Pflege-TÜV
Das Hauptaugenmerk des Prüfteams liegt vorranging auf der Versorgung. Die Prüfer konzentrieren sich auf sechs Qualitätsbereiche und insgesamt 24 Qualitätsaspekte. Die Prüfer beurteilen, inwiefern die Bewohner/innen in diesen Bereichen von der Einrichtung unterstützt werden.
1. Qualitätsbereich: Unterstützung bei der Mobilität und Selbstversorgung
- Unterstützung im Bereich der Mobilität
- Unterstützung bei der Ernährung und Flüssigkeitsversorgung
- Unterstützung bei Kontinenzverlust, Kontinenzförderung
- Unterstützung bei der Körperpflege
2. Qualitätsbereich: Unterstützung bei der Bewältigung von krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
- Medikamentöse Therapie
- Schmerzmanagement
- Wundversorgung
- Unterstützung bei besonderen medizinisch-pflegerischen Bedarfslagen
- Unterstützung bei der Bewältigung von sonstigen therapiebedingten Anforderungen
3. Qualitätsbereich: Unterstützung bei der Gestaltung des Alltagslebens und der sozialen Kontakte
- Unterstützung bei Beeinträchtigungen der Sinneswahrnehmung
- Unterstützung bei der Tagesstrukturierung, Beschäftigung und Kommunikation
- Nächtliche Versorgung
4. Qualitätsbereich: Unterstützung in besonderen Bedarfs- und Versorgungssituationen
- Unterstützung der versorgten Person in der Eingewöhnungsphase nach dem Einzug
- Überleitung bei Krankenhausaufenthalten
- Unterstützung von versorgten Personen mit herausfordernd erlebtem Verhalten und psychischen Problemlagen
- Freiheitsentziehende Maßnahmen
5. Qualitätsbereich: Bedarfsübergreifende fachliche Anforderungen
- Abwehr von Risiken und Gefährdungen
- Biografieorientierte Unterstützung
- Einhaltung von Hygieneanforderungen
- Hilfsmittelversorgung
- Schutz von Persönlichkeitsrechten und Unversehrtheit
6. Qualitätsbereich: Organisationsaspekte und internes Qualitätsmanagement
- Qualifikation der und Aufgabenwahrnehmung durch die verantwortliche Pflegefachkraft
- Begleitung Sterbender und ihrer Angehörigen
- Maßnahmen zur Vermeidung und zur Behebung von Qualitätsdefiziten
Jeder Qualitätsaspekt wird hierbei einzeln bewertet und in eine von vier Kategorien (A bis D) eingestuft. Dabei wird beurteilt, ob es Versorgungsdefizite gibt und ob es Risiken für die/den Bewohner/in gibt oder bereits Schäden eingetreten sind.
- A) Keine Auffälligkeiten oder Defizite
- B) Auffälligkeiten, die keine Risiken oder negativen Folgen für die versorgte Person erwarten lassen
- C) Defizit mit Risiko negativer Folgen für die versorgte Person
- D) Defizit mit eingetretenen negativen Folgen für die versorgte Person
Die Einzelbewertungen der Aspekte eines Qualitätsbereichs werden anschließend zusammengeführt und eine Gesamteinschätzung für den Bereich gebildet. Dabei werden die Bereiche abhängig von der Anzahl an C- bzw. D-Defiziten eingestuft.
Bewertung durch das Prüfteam:
- Keine bzw. geringe Qualitätsdefizite
- Moderate Qualitätsdefizite
- Erhebliche Qualitätsdefizite
- Schwerwiegende Qualitätsdefizite
Transparenzbericht für die Pflege
Am Ende jeder externen Prüfung einer Einrichtung steht das Fachgespräch. Hier besprechen die Prüferinnen und Prüfer mit der Einrichtungsleitung und den Pflegefachkräften die Ergebnisse der Bewertung. Somit erhalten diese klare Auskünfte über Schwachstellen in der aktuellen Versorgung und werden über mögliche Verbesserungsmaßnahmen beraten.
Die Gesamtbeurteilung und Vergabe der Pflegenote erfolgt nach dem Prüfbesuch des MDK.
Final wird die Pflegeeinrichtung nach dem 3-Säulen-System beurteilt:
- externe Qualitätsprüfung
- interne Erhebung von Qualitätsindikatoren sowie einrichtungsbezogener Informationen (wie z. B. Option auf Probewohnen oder Personalbestand).
- Der finale Prüfbericht schlüsselt dann die Ergebnisse der externen sowie internen Prüfung einzeln auf. Die Versorgungsergebnisse der Einrichtungen werden dabei mit Hilfe von blauen Punkten und die Resultate des Prüfdienstes mit braunen Kästen dargestellt, um eine bessere Unterscheidbarkeit zu gewährleisten.
Bis Ende 2020 soll jedes Pflegeheim in Deutschland einmal geprüft worden sein. Heime mit guten Prüfergebnissen sollen ab 2021 nur noch alle zwei Jahre vom MDK geprüft werden. Sogenannte Anlassprüfungen, welche die Landesverbände der Pflegekassen nach Hinweisen auf Mängel beim MDK beauftragen können, werden wie auch bisher unangemeldet durchgeführt.
Im Frühjahr 2020 werden die ersten Auswertungen des neuen Pflege-TÜV erwartet.