Mehr Arbeit in der Pflege und weniger Schutz trotz weniger Covid-Fälle
Bereits vor der Corona-Pandemie arbeiteten viele Pflegekräfte am Limit. Personalmangel, häufiges Einspringen, nicht ausreichende Ruhephasen haben ihren beruflichen Alltag geprägt. Mit der Corona-Pandemie hat sich der Berufsalltag für viele Pflegekräfte noch einmal dramatisch verschlechtert. Es wurden zentrale Schutzgesetze für u. a. Beschäftigte in der Pflege ausgehebelt, wie beispielsweise das Arbeitszeitgesetz und die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung. Ziel sollte es sein, den erwarteten Ansturm an COVID-19-Patientinnen und Patienten entegenzuwirken und diese in ausreichendem Umfang zu versorgen und zu schützen. Doch mit dem Schutz von an COVID-19 Erkrankten, wird der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in systemrelevanten Berufen, wie in der Pflege, aufgehoben. Aktuell arbeiten viele Pflegekräfte jenseits der Überlastungsgrenze. Viele Pflegekräfte möchten zurückkehren zum “Normalzustand” und halbwegs geregelten Arbeitszeiten.
Pflegekräfte müssen besonders geschützt werden
Pflegekräfte erbringen wichtige Dienste am Menschen, die jede Menge fachliches Know-how, Sorgfalt und eine gute Konzentrationsfähigkeit erfordern, damit eine qualitativ hochwertige Arbeit möglich ist, und es nicht zu Pflegefehlern kommt. Weil Pflegekräfte einen so wichtigen Job für die Gesellschaft machen, gilt es deshalb, ihre Gesundheit besonders zu schützen. Das wichtigste Schutzgesetz ist das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Es regelt die Rahmenbedingungen einer guten Arbeitszeitgestaltung. Diese soll eine gesundheitliche Gefährdung vermeiden oder zumindest reduzieren – denn die Arbeitszeit gilt nach § 5 ArbSchG als ein wichtiger Einflussfaktor auf die Gesundheit.
Daneben gibt es – nicht zuletzt zum Schutz vor Überlastung der Beschäftigten in Pflege und Medizin – die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV). Mit ihr sollen die Beschäftigten nachhaltig entlastet und eine gute Versorgung für die Patientinnen und Patienten gesichert werden.
Mehr Arbeit in der Pflege und Schutzgesetze in der Corona-Krise aufgehoben
Arbeitszeitgesetz
Mit der Corona-Pandemie wurde das Arbeitszeitgesetz für Menschen in systemrelevanten Berufen seit dem 10.04.2020 ausgehebelt. Ziel sollte es sein, den erwarteten Ansturm an COVID-19-Patientinnen und Patienten entegenzuwirken und diese in ausreichendem Umfang zu versorgen und zu schützen. Doch mit dem Schutz dieser Menschen wird der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in systemrelevanten Berufen, wie in der Pflege, aufgehoben. Im Klartext heißt das: längere Höchstarbeitszeiten, gelockerte Mindestruhezeiten sowie Ausnahmen vom Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen für Pflegekräfte. Zudem kann die werktägliche Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden, die wöchentliche Arbeitszeit in dringlichen Ausnahmen 60 Stunden überschreiten.
Pflegepersonaluntergrenzen
Das Bundesgesundheitsministerium teilte am 04.03.2020 mit (wir haben hier dazu berichtet), dass die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung in Krankenhäusern wegen des Coronavirus bis auf weiteres außer Kraft gesetzt ist. Das ist schlimm, denn bereits im Normalbetrieb sind Pflegekräfte durch stetig steigende Fallzahlen bei immer kürzeren Liegezeiten von einer massiven Arbeitsverdichtung betroffen und damit einer immensen gesundheitlichen Belastung. Pflegepersonaluntergrenzen dienen nicht nur der Sicherheit der Patientinnen und Patienten, sondern schützen auch die Gesundheit der Beschäftigten.
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Einige Arbeitgeber missbrauchen die Arbeitszeit-Lockerungen
In Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen in verschiedenen Gesundheitseinrichtungen im Bundesgebiet, haben wir davon erfahren, dass seit dem Inkrafttreten der Verordnung zu Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz infolge der COVID-19-Epidemie, in einigen Unternehmen rigoros die Arbeitszeiten der Pflegekräfte verlängert und Ruhezeiten verkürzt wurden. Darüber hinaus wurden uns Fälle bekannt, in welchen Arbeitgeber angeordnet haben, die Erfassung der Arbeitszeit während der Pandemie auszusetzen. Kaum zu glauben? Ist aber so. Wer seine Arbeitszeit nicht erfasst und vor allem auch die Zeiten, in welchen Mehrarbeit geleistet wurde, hat später keinen Anspruch auf den Ausgleich für die geleistete Mehrarbeit! Du solltest deine Arbeitszeiten jederzeit erfassen und vor allem Mehrarbeitszeiten, um sie im Streitfall nachweisen zu können.
Offensichtlich machen derzeit auch einige Klinikbetreiber gezielt Profite mit den ausgesetzten Untergrenzen beim Pflegepersonal auf Kosten der angestellten Klinik-Beschäftigten. Denn acht Wochen nach der Pausierung der PpUGV sind zwischenzeitlich einige Kliniken zum Normalbetrieb zurückgekehrt, ohne Rücksicht auf die veränderte Personalausstattung zu nehmen. Die Zunahme der Behandlungszahlen unter den aktuell nicht vorhandenen Mindestbesetzungsregeln führt hier bereits zu einer spürbaren Überlastung des Pflegepersonals und zur gesundheitlichen Gefährdung.
Fazit
Klar, erfordern aussergewöhnliche Situationen, wie die Corona-Pandemie, außergewöhnliche Maßnahmen. Vor diesem Hintergrund war das Aushebeln verschiedener Schutzmaßnahmen zum Wohle von Kranken und Pflegebedürftigen sicherlich richtig, um für den Ernstfall gewappnet zu sein. Mit dem Ausbleiben der COVID-19-Erkrankungswelle werden allerdings zunehmend Zweifel bei Pflegekräften laut, ob die Maßnahmen noch länger aufrecht erhalten werden müssen. Es müsste vielmehr die Verhältnismäßigkeit der Mittel beachtet werden. Das Arbeitszeitgesetz als Schutz für die Beschäftigten in der Pflege langfristig abzubauen, ist der falsche Weg, wie wir in den vielen Gesprächen von Pflegekräften selbst erfahren haben. Sie erhoffen sich Arbeitszeiten, wie vor der Lockerung des Arbeitszeitgesetzes. Denn so, wie es jetzt läuft, “macht es krank” und tut nur den Betreibern gut. Und hier gibt es bekanntlich schwarze Schafe, welche die Corona-Pandemie als erstbeste Gelegenheit dafür ausnutzen um Profite machen zu können. Das ist in höchstem Maße unverantwortlich für alle Pflegekräfte, wie wir finden.
Es sollte schnell zum Normalbetrieb übergegangen werden und Maßnahmen für Pflegekräfte umgesetzt werden – wie eine dauerhafte qualitative und monetäre Aufwertung der Arbeit in den Pflegeberufen. Nur das führt dazu, dass sich mehr Menschen für die Arbeit als Pflegekraft entscheiden und der Beruf wieder Spaß macht.