Nach dem Applaus kommt die große Stille
Die letzten Wochen und Monate haben so manche Pflegehelden-Brust anschwellen lassen. Applaus hier, Danksagungen dort, mal nen kostenloses Essen vom Lieferdienst um die Ecke oder eine gratis Taxifahrt für Pflegekräfte. Alles Bekundungen des Dankes und der Anerkennung für all jene, die an vorderster Front gegen den Coronavirus kämpfen. Es war schön (und ist zum Teil noch immer) den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu sehen und das Gefühl von Anerkennung und Wertschätzung für Pflegekräfte!
Leises Sterben und schwierigste Arbeitsbedingungen in den Pflegeheimen
Mitlerweile wird es leiser auf den Balkonen und der Applaus der verblieben Sympathisanten verhallt im Hintergrundrauschen der Großstadt. Aktuell debattieren wir über den schrittweisen Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen und viele Menschen glauben, die Pandemie sei überstanden. Das ist sie leider nicht. Und nach dem Applaus kommt die große Stille. Ein leises Sterben. Das Virus hat längst die Pflegeheime in unserem Land erreicht und zeigt sich dort von seiner dunkelsten Seite. Etwa ein Drittel aller Corona-Toten starben bislang in Pflegeheimen. So, wie sich Bewohner in Pflegeheimen infizieren, erkranken aktuell auch viele Pflegekräfte an COVID-19. Die wenigen verbliebenen Pflegekräfte müssen die Versorgung der Bewohner unter schwierigsten Bedingungen aufrecht erhalten.
Niemand will die Corona-Sonderprämie zahlen
Und, wie war das doch gleich? Sollten Pflegekräfte wegen der Zusatzbelastungen in der Coronakrise nicht eine Sonderprämie in Höhe von 1.500 EUR erhalten? Offensichtlich ist den aktuellen Pressemitteilungen nach, die Prämie weiter entfernt denn je. Die Frage, aus welchem Topf denn nun die rund 1 Milliarde EUR geschöft werden, ist nicht geklärt. Stimmen werden lauter, es sollten Bund und Länder finanzieren. Es die Beitragszahler finanzieren lassen, sei nämlich ungerecht. Denn Covid-19 ist eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit und es allein den ohnehin schon finanziell stark belasteten Pflegebedürftigen aufzubürden, nicht vertretbar.
Auch die Arbeitgebervertreter im Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands melden sich mit einem Brandbrief “gegen die Idee einer Prämie auf Kosten der Beitragszahler“. Offensichtlich äußert sich Volker Hansen stellvertretend für die Arbeitgeberseite sinngemäß: “Die vorhandenen Rücklagen der Pflegeversicherung dürfen nicht für teure Pflegeboni aufgezehrt werden” und weiter »Es sei zwar richtig, der Leistung der Pflegekräfte Respekt zu zollen. Man müsse aber auch sehen, „dass sie in der derzeitigen Krise einen sicheren Arbeitsplatz haben und ihr volles Gehalt beziehen, während viele Beschäftigte in anderen Branchen in Kurzarbeit gehen müssen oder sogar ihren Arbeitsplatz verlieren“. Diese Beschäftigten als Beitragszahler mit der Pflegeprämie zu belasten sei nicht in Ordnung.«
Nach diesen Worten fehlt ein wenig die Sprache – oder? Für all jene, die das noch nicht verstanden haben, formulieren wir es einfach: Pflegekräfte sollten keine Prämie erwarten, sondern dankbar darüber sein, dass sie in der Krise ihren Job behalten haben und volles Gehalt beziehen! Uns zumindest fallen bei diesen Worten sofort die 2,4 Mrd. EUR Soforthilfe ein, die der Konzern mit den drei Streifen erhalten hat. Wenn dafür Geld vorhanden ist und weitere Hilfsgelder in unvorstellbarer Höhe, dann doch sicherlich auch für Pflegekräfte, die auch ohne Covid-19 seit Jahrzehnten an der Belastungsgrenze arbeiten!
Keine Sonderprämie und keine spürbare Lohnerhöhung
Wir alle wissen jetzt schon, wo das Ganze endet: im Nichts. Die Pflege schreit ein wenig auf und weil sie sich wieder einmal nicht gemeinschaftlich organisieren kann, folgt die große Stille. So war es bislang und so wird es wohl immer sein. Und genauso, wie die Prämie nicht gezahlt wird, wird es auch keine spürbaren Lohnerhöhungen geben. Schließlich müssen zunächst die immens hohen Hilfsgelder eingetrieben werden.