Pflegefachkräfte sollen ärztliche Aufgaben übernehmen – Pro und Kontra
Geht es nach dem Gesetzgeber, sollen Pflegefachkräfte schon bald medizinische Leistungen erbringen. Ihnen werden bei Menschen mit verschiedenen Diagnosen auf Anordnung hin ärztliche Tätigkeiten übertragen. Wir erklären was dahinter steckt und stellen die Pros und Kontras gegenüber.
Modellvorhaben
Gesetzliche Krankenkassen und Leistungserbringer können im Rahmen von Modellvorhaben bestimmte ärztliche Tätigkeiten auf Pflegefachkräfte zur selbständigen Ausübung übertragen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) regelt in der Richtlinie nach § 63 Abs. 3c SGB V die allgemeinen Grundlagen der Heilkundeübertragung in Modellvorhaben. Er bestimmt die Art und den Umfang der ärztlichen Tätigkeiten und legt die jeweils erforderlichen Qualifikationen fest.
In einem Modellvorhaben soll die Ausweitung der pflegerischen Kompetenzen nun getestet werden. Es soll nach Angaben des GKV-Spitzenverbands in allen Bundesländern am 1. Januar 2023 starten und maximal vier Jahre dauern.
Diese Berufsgruppen sollen heilkundliche Tätigkeiten übernehmen
Die selbständige Ausübung von Heilkunde soll an Berufsangehörige der Kranken- und Altenpflege übertragen werden. Das schließt beispielsweise alle Altenpfleger:innen und Gesundheits- und Krankenpfleger:innen ein. Für Medizinische Fachangestellte (MFA’s) – also Arzthelferinnen und Arzthelfer in Praxen – gilt die Richtlinie nicht.
Damit Pflegefachkräfte heilkundliche Leistungen selbständig durchführen können, müssen sie die dafür erforderlichen Qualifikationen erwerben und nachweisen können. Der theoretische Inhalt der Aus- und Fortbildung wird dafür im Modellvorhaben selbst entwickelt.
Doch was genau sind eigentlich heilkundliche Leistungen? Ausübung von Heilkunde ist die auf wissenschaftliche Erkenntnis gegründete, praktische, selbständige oder im Dienst anderer ausgeübte Tätigkeit zur Verhütung, Feststellung, Heilung oder Linderung menschlicher Krankheiten, Körperschäden oder Leiden.
Bei diesen Diagnosen sollen Pflegfachkräfte ärztliche Leistungen erbringen
Die auf Pflegefachkräfte übertragbaren Tätigkeiten sollen sich zunächst auf diese Diagnosen beschränken:
- Diabetes mellitus Typ 1 und 2
- Chronische Wunden
- Demenz (ausgenommen die Palliativversorgung)
- Verdacht auf Hypertonus (außerhalb von Schwangerschaften)
- sowie auf weitere einzeln aufgeführte Tätigkeiten.
Diese heilkundlichen Tätigkeiten sollen an Pflegefachkräfte übertragen werden
Zu den übertragbaren Leistungen auf ärztliche Anordnung hin zählen beispielsweise
- Blutentnahmen,
- die Durchführung von Infusionen und Injektionen,
- das Legen und Überwachen von bestimmten Sonden und Kathetern,
- die Verordnung und Versorgung mit Medizinprodukten, die beim Legen von Ableitungen, Entlastungen oder Zugängen benötigt werden,
- die Schmerztherapie sowie
- das Überleitungsmanagement in weiterbehandelnde Einrichtungen.
Den in der Richtlinie zur Übertragung vorgesehenen Tätigkeiten muss eine ärztliche Verordnung vorausgehen. Die Diagnose und deren Überprüfung sowie die Indikationsstellung bleiben in ärztlicher Verantwortung.
Verantwortungsbereich bei Übernahme von heilkundlichen Tätigkeiten
Die Pflegefachkräfte werden im Rahmen der Modellprojekte als eigenständige Leistungserbringer auftreten, die die fachliche, wirtschaftliche und rechtliche Verantwortung für alle ihnen übertragenen Aufgaben übernehmen. Im Klartext heißt das: führt eine Pflegefachkraft eine heilkundliche Tätigkeit auf ärztliche Anordnung hin aus, so kann das im Schadensfall zu zivilrechtlichen, strafrechtlichen, arbeitsrechtlichen und heimrechtlichen Folgen und Konsequenzen führen.
Pro und Kontra
Pro
Die Übernahme von ärztlichen Aufgaben durch Pflegefachkräfte könnte zunächst einmal den Pflegeberuf abwechslungsreicher und interessanter für Berufseinsteiger machen. Das wiederum würde sich positiv in den Ausbildungszahlen niederschlagen. Und das ist wichtig vor dem Hintergrund einer zunehmenden Zahl an Pflegebedürftigen in den kommenden Jahren. Hier wird jede und jeder neue Berufseinsteiger:in dringend gebraucht.
Außerdem könnte die Verweildauer in Pflegefachberufen steigen. Viele Pflegende kehren nämlich wegen gesundheitlicher Beschwerden und Einschränkungen der Pflege den Rücken zu. Die Pflege am Bett, zu der beispielsweise das Lagern und Transferieren zählen, ist körperlich anstregend und in der Regel nicht bis zum Renteneintritt zu bewältigen. Fort- und Weiterbildungen zur Übernahme heilkundlicher Leistungen könnten Anreize sein, Pflegende in Pflegeberufen zu halten, die sich sonst für einen Berufsausstieg entscheiden würden.
Kontra
Im deutschen Gesundheitswesen gibt es einen massiven Druck wirtschaftlich zu arbeiten. Damit wird zunehmend über eine Neuaufteilung der zu verrichtenden Arbeiten diskutiert. Insbesondere wird in diesem Zusammenhang die Delegation von ärztlichen Aufgaben an das Pflegefachpersonal vorangetrieben. Ziel ist es, kostenintensive ärztliche Arbeitszeit einzusparen. Die Übernahme von heilkundlichen Leistungen durch Pflegefachkräfte führt letztendlich dazu, dass Pflegende ihre eingentlichen Pflegearbeiten vernachlässigen müssen. Denn in der Praxis ist ohnehin kaum Zeit, die eigentlichen pflegerischen Leistungen zu bewältigen.
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