Reanimation im Pflegeheim: Was tun im Zweifel?
Notfallsituationen in Pflegeheimen kommen öfters vor als anderswo. Doch weil oftmals der Wille des Bewohners nicht bekannt ist und Zeit fehlt, um die Patientenverfügung zu suchen, ist bei vielen Pflegekräften die Unsicherheit groß, wie sie sich im Notfall verhalten sollen. Soll ich reanimieren oder hat die hilfebedürftige Person in ihrer Patientenverfügung eine Wiederbelebung ausgeschlossen? Es gibt wichtige rechtliche Aspekte, die bei der Reanimation im Pflegeheim zu beachten sind. Wir klären auf.
In vielen Pflegeheimen fehlen Strukturen und Standards zum Verhalten im Notfall
In nur wenigen Heimen gibt es Strukturen und Standards, die Pflegekräften die Sicherheit geben, im Notfall das Richtige zu tun. Auch ist oftmals der Wille des Bewohners nicht bekannt und nicht klar, ob eine Patientenverfügung vorliegt und falls doch, wo diese dokumentiert ist.
All das stellt die meisten Pflegekräfte vor enorme ethische Herausforderungen. Insbesondere gilt das für Zeitarbeitskräfte und Springer, die häufig die Bewohner und deren Wünsche im Falle einer Reanimation im Pflegeheim nicht kennen.
Diese Unsicherheit führt nicht selten dazu, dass Pflegekräfte erst verzögert mit den Reanimationsmaßnahmen beginnen. Dadurch wird die ohnehin ungünstige Prognose für ein Überleben mit neurologisch gutem Outcome noch weiter verschlechtert.
Pflegekräfte befinden sich im Spagat zwischen rechtlichen Pflichten und ethischen Aspekten. Auf diese gehen wir nachfolgend ein.
Achtung: Garantenstellung!
Pflegekräfte sind gemäß § 323 c Strafgesetzbuch im Notfall dazu verpflichtet, anderen zu helfen – genau wie alle anderen normalen Bürger auch. Bestimmte Personen oder Personengruppen, die sogenannten “Garanten”, müssen aber darüber hinaus aktiv werden. Garanten sind neben Ärzten in einer Klinik auch Pflegekräfte in einem Pflegeheim. Aufgrund ihrer Stellung haben sie eine besondere Schutzpflicht gegenüber den Heimbewohnerinnen und -bewohnern, die sie betreuen. Sie sind deshalb in der Pflicht, zu verhindern, dass sie verletzt werden oder sterben – zum Beispiel durch eine Reanimation.
Übrigens kannst du in unserem Blogbeitrag “Reanimieren in der Pflege: So funktioniert die Wiederbelebung“, deinen Kenntnisstand über erste Maßnahmen im Notfall auffrischen.
Besonders harte Strafen für Pflegekräfte die Hilfe unterlassen
Pflegekräfte werden aufgrund ihrer Garantenstellung rechtlich (§ 13 Strafgesetzbuch) stärker in die Pflicht genommen als andere Menschen.
Demzufolge müssen Pflegekräfte, die einen Bewohner, den sie versorgen, im Notfall nicht reanimieren, mit einer deutlich härteren Strafe rechnen als normale Bürger. Die unterlassene Hilfeleistung wird hier genauso bestraft wie die aktive Verwirklichung einer Straftat. Pflegekräfte müssen nämlich dafür sorgen, dass der im Gesetz bezeichnete “tatbestandliche Erfolg” NICHT eintritt. Das kann zum Beispiel der Tod sein. Nicht Wiederbeleben kann in ihrem Fall mit lebenslanger Haft bestraft werden.
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Dann ist Nichtstun keine strafbare Handlung
Liegt hingegen eine Patientenverfügung vor, die gültig ist und in der Maßnahmen zur Wiederbelebung ausdrücklich widersprochen wird, ist Nichtstun keine strafbare Handlung mehr.
Es liegt übrigens auch dann keine strafbare Handlung vor, wenn …
- … der einsichtsfähige Bewohner die Reanimation im akuten Notfall ablehnt.
- … der vorab erklärte Bewohnerwille bekannt ist – auch wenn er nicht in Form einer Patientenverfügung vorliegt.
- … ein anwesender Angehöriger oder Betreuer Wiederbelebungsmaßnahmen ablehnt.
Der aktuell erklärte Wille des Bewohners hat immer Vorrang vor früheren Erklärungen.
Im Zweifelsfall reanimieren!
In Notfallsituation muss schnell gehandelt werden. Da zählt jede Sekunde. Vor diesem Hintergrund ist es schlicht und ergreifend nicht möglich die Patientenverfügung zu suchen, sie auf das Alter zu prüfen und herauszufinden, ob sie noch immer dem aktuellen Wunsch des Bewohners entspricht.
Wenn der Wunsch des Bewohners nicht feststellbar ist, musst du dem Gesetz zufolge nach seinem mutmaßlichen Willen handeln. Im Zweifelsfall solltest du davon ausgehen, dass er überleben möchte und umgehend mit der Reanimation im Pflegeheim beginnen.
Strukturen und Leitlinien schaffen Rechtssicherheit
In allen Pflegeheimen müssen klare Strukturen und Leitlinien zum Verhalten im Notfall etabliert werden. Dazu gehört, im zeitlichen Zusammenhang mit dem Einzug ins Pflegeheim, den Bewohnerwunsch in Erfahrung zu bringen und diesen zu dokumentieren. Es muss konkret erfragt werden, ob der Bewohner einer Reanimation im Pflegeheim zustimmt, oder nicht. Der Wunsch muss in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden. Das Dokumentierte muss im Notfall schnell greifbar sein. Nur so lassen sich unnötige Strafen vermeiden und die Bewohnerautonomie wahren.
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