Sexuelle Belästigung in der Pflege – Tipps für Pflegekräfte
Ein hoher Anteil der Mitarbeitenden in der Pflege hat im Beruf sexuelle Belästigung durch Pflegebedürftige erlebt. Viele Pflegekräfte stecken solche Vorkommnisse weg. Andere empfinden sie als sehr belastend. Wir erklären, welche Formen von sexueller Belästigung es gibt und geben Tipps für Betroffene, die sexuelle Belästigung in der Pflege erlebt haben und für das Umfeld.
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – Definition
Laut § 3 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist sexuelle Belästigung ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Formen sexueller Belästigung
Bei sexueller Belästigung werden drei Kategorien unterschieden: verbale, non-verbale und physische Belästigung.
Verbal
- sexuell anzügliche Bemerkungen und Witze
- aufdringliche und beleidigende Kommentare über die Kleidung, das Aussehen oder das Privatleben
- sexuell zweideutige Kommentare
- Fragen mit sexuellem Inhalt, z. B. zum Privatleben oder zur Intimsphäre
- Aufforderungen zu intimen oder sexuellen Handlungen, z. B. „Leg’ dich zu mir ins Bett!“
- sexualisierte oder unangemessene Einladungen zu einer Verabredung
Non-verbal
- aufdringliches oder einschüchterndes Starren oder anzügliche Blicke
- Hinterherpfeifen
- Aufhängen oder Verbreiten pornografischen Materials
- unsittliches Entblößen
Physisch
- jede unerwünschte Berührung (Tätscheln, Streicheln, Kneifen, Umarmen, Küssen), auch wenn die Berührung scheinbar zufällig geschieht
- wiederholte körperliche Annäherung, wiederholtes Herandrängeln, wiederholt die übliche körperliche Distanz (ca. eine Armlänge) nicht wahren
- körperliche Gewalt sowie jede Form sexualisierter Übergriffe bis hin zu Vergewaltigung
Sexuelle Belästigung in der Pflege kommt häufig vor
Mit sexueller Belästigung sind insbesondere auch Pflegekräfte im Beruf konfrontiert. Und das ist nicht verwunderlich. Die Pflege ist ein intimer Bereich, in dem man eine enge Beziehung zu Pflegebedürftigen hat. Genau das führt dazu, dass man als Pflegekraft nicht immer gut abgrenzen kann, wann ein Verhalten übergriffig ist.
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) hat die Häufigkeit von sexueller Belästigung von Pflegekräften durch Bewohner:innen, Patienten:innen und Klient:innen untersucht. Befragt wurden 901 Mitarbeitende aus insgesamt 60 Einrichtungen – darunter stationäre und ambulante Pflege, psychiatrische Einrichtungen, Krankenhäuser und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen.
Die Ergebnisse deuten daraufhin, dass Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen einem hohen Risiko sexueller Belästigung ausgesetzt sind. Etwa zwei Drittel aller Befragten haben auf Arbeit verbale sexuelle Belästigung und Gewalt durch von ihnen gepflegte oder betreute Personen erlebt. Fast jede zweite Pflegekraft ist körperlich sexuell belästigt worden und hat Gewalt durch Pflegebedürftige erfahren.
Je nach Versorgungsbereich unterscheiden sich die Erfahrungen der Beschäftigten. Während Pflegekräfte besonders häufig verbal belästigt werden, kommt es in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen häufiger als in allen anderen Branchen zu nonverbaler Belästigung.
Sexueller Belästigung in der Pflege entgegenwirken – so klappts
Was kannst du tun, wenn du sexuelle Belästigung erlebst oder beobachtest? Für Betroffene und für das Umfeld gibt es verschiedene Handlungsmöglichkeiten. Je nach Situation eigenen sich die einen besser als die anderen.
Tipps für Betroffene
- Direkt ansprechen! Sage der belästigenden Person direkt und klar, dass du das Verhalten nicht wünschst, wie zum Beispiel: „Stopp, ich möchte das nicht! Ich erwarte, dass Sie das respektieren und dass Sie solche Berührungen in Zukunft unterlassen“.
- Vorfall aufschreiben. Notiere wann, was und wo passiert ist. Wer hat was gesagt oder getan? Wer war Zeuge? Wie hast du reagiert und was hast du gesagt oder getan? Eine solche Notiz ist wichtig. Sie hilft dabei, dass du später das Vorgefallene genau wiedergeben kannst, zum Beispiel dann, wenn du weitere Schritte einleitest.
- Vorgesetzte informieren. Deine Vorgesetzten müssen Sorge tragen, dass du am Arbeitsplatz nicht sexuell belästigt wirst.
- Die Behandlung verweigern. Sollte es dir unangenehm sein, die belästigende Person, weiter zu betreuen, kann sie einer anderen Pflegekraft zugewiesen werden. Die belästigende Person sollte in schwerwiegenden Fällen und nach wiederkehrenden Belästigungen aus der Einrichtung entlassen werden.
- Angehörige kontaktieren. Manchmal kann es helfen, die Angehörigen der belästigenden Person über den Vorfall zu informieren. Bitte die Angehörigen darum, dafür zu sorgen, dass die Person alle Mitarbeitenden angemessen behandelt.
- Suche eine Fachstelle auf. Auf sexuelle Belästigung spezialisierte Fachstellen findest du überall in Deutschland. Sie bieten eine vertrauliche Beratung an und können dich professionell unterstützen. Hier findest du sicherlich eine Fachstelle in deiner Nähe.
Tipps für das Umfeld
- Zivilcourage zeigen. Wenn du in der Pflege sexuelle Belästigung beobachtest, kannst du die belästigende Person direkt ansprechen. Teile ihr mit, was du gesehen oder gehört hast. Sage ihr klar und deutlich, dass du ein solches Verhalten nicht in Ordnung findest und sie das Verhalten unterlassen soll.
- Unterstützung anbieten. Biete der sexuell belästigten Person an, sie zu unterstützen, zum Beispiel bei der Suche nach einer Fachstelle oder wenn es um eine Zeugenaussage geht.
- Zuhören und bestärken. Höre der belästigten Person zu und bestärke sie darin, der eigenen Wahrnehmung zu trauen und auch, die richtigen Schritte einzuleiten. Vielen Belästigten kostet es große Überwindung, über das Vorgefallene zu reden und sich Dritten anzuvertrauen. Oftmals schämen sie sich und geben sich selbst die Schuld oder glauben, dass sie sich falsch verhalten haben.
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