Vom Personalschlüssel in der Altenpflege zur Schichtbesetzung
Oft liest und hört man in der Presse: Der Personalschlüssel in der Altenpflege liegt bei 1 : 4. Wenn eine Pflegekraft vier Pflegebedürftige zu pflegen und versorgen hat, klingt das doch eigentlich nach paradiesischen Zuständen in Pflegeheimen. Warum also all das Wehklagen von Pflegekräften? Wir bringen Licht ins Dunkel und erklären anschaulich, wie der Personalschlüssel Altenpflege berechnet wird, wie sich daraus die Schichtbesetzung in einem Pflegeheim ermitteln lässt und wieviel Pflegezeit pro Pflegebedürftigem unterm Strich tatsächlich bleibt.
Was bedeutet eigentlich Personalschlüssel Altenpflege?
Der Personalschlüssel Altenpflege zeigt das Verhältnis von Pflegenden zu Pflegebedürftigen auf. Er gibt an, wieviele Vollzeitkräfte für die Pflege und Betreuung aller Bewohner*innen einer Einrichtung zu beschäftigen sind. Dabei gilt: je größer der Pflegegrad ist, desto mehr Pflegekräfte können eingestellt werden.
Diese Gesetze regeln den Personalschlüssel in der Altenpflege
Der Personalschlüssel in der Altenpflege ist bundesweit nicht einheitlich geregelt. Er ist Ländersache.
Die Mindestpersonalausstattung wird in den Ländern durch Gesetze für gemeinschaftliche Wohnformen, wie zum Beispiel Pflegeheime und Wohngemeinschaften, vorgegeben – im Land Berlin durch die Wohnteilhabe-Personalverordnung (WTG-PersV). Gemäß § 8 (4) WTG-PersV muss in stationären Einrichtungen mindestens eine PFK im Tag- und Nachtdienst anwesend sein.
Genauere Vorgaben zur Personalbemessung in der Altenpflege finden sich im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Von zentraler Bedeutung ist § 75 SGB XI. Nach ihm müssen die Landesverbände der Pflegekassen mit den Vereinigungen der Träger der stationären Pflegeeinrichtungen im Land (zum Beispiel Caritas, Diakonie, DRK) Rahmenverträge schließen. Möchte eine Pflegeeinrichtung mit den Pflegekassen abrechnen, so muss sie die darin enthaltenen Personalrichtwerte verbindlich einhalten.
Personalschlüssel in der Altenpflege berechnen
Mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) zum 01. Januar 2017 wurden die drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ersetzt. Damit musste ebenfalls der “Personalschlüssel Pflegegrade” angepasst werden.
Personalschlüssel Altenpflege: Personalrichtwerte
Personalrichtwerte umfassen das Verhältnis zwischen der Anzahl der Heimbewohner und der Anzahl der Pflege- und Betreuungskräfte. Sie werden unterteilt nach dem Pflegegrad und sind von Bundesland zu Bundesland verschieden. In Berlin könnte damit theoretisch eine Pflegekraft für 7,25 Bewohner*innen mit einem Pflegegrad 1 und eine Pflegekraft für 1,8 Pflegebedürftige mit einem Pflegegrad 5 eingestellt werden, wie die nachfolgende Übersicht der Personalrichtwerte in Berlin zeigt:
Personalschlüssel in der Altenpflege: Vollzeitstellen berechnen
Hmm. Personalrichtwerte sind wenig greifbar – oder? Deshalb sollten wir mit ihnen die Anzahl der Pflegekräfte berechnen, die für eine*n Pflegebedürftige*n eingestellt werden könnten (1 Pflegekraft ÷ Anzahl Pflegebedürftige):
Auch diese Zahlen sind wenig aussagekräftig. Wir benötigen sie jedoch, um die Vollzeitstellen zu ermitteln. Und damit fängt die richtige Rechnerei an! Aber: keine Panik! Wir erklären die weitere Berechnung des Personalschlüssels Altenpflege beispielhaft anhand eines Berliner Pflegeheims mit 40 Bewohner*innen.
Um so realitätsnah wie möglich zu bleiben, soll die Verteilung der Pflegegrade in unserem Heim dem bundesweiten Durchschnitt entsprechen: 1 % aller Bewohner*innen sind in den Pflegegrad 1 eingruppiert, 20 % in den Pflegegrad 2, 34 % in den Pflegegrad 3, 29 % in den Pflegegrad 4 und 15 % in den Pflegegrad 5. Angesichts dieser typischen Belegung, sieht die Verteilung der Pflegegrade in unserem Pflegeheim so aus:
Daraus errechnet sich eine Gesamtstellenzahl von 15,82 Vollzeitstellen (VZS), die in unserem Berliner Pflegeheim mit 40 Bewohner*innen (Bew.) beschäftigt sein müssen:
Sie benötigen Hilfe bei der Besetzung ihrer offenen Stellen? Wir stehen Ihnen gerne im Rahmen von Zeitarbeit Pflege oder Personalvermittlung in der Pflege zur Seite.
Personalschlüssel Altenpflege: Vollzeitstellen “direkte Pflege” berechnen
15,84 VZS hören sich zunächst gut an. Allerdings sind hier je nach Bundesland anteilig auch Stellen und Funktionen enthalten, die keine direkten Pflegetätigkeiten erbringen. In Berlin sind diese Stellen enthalten (§ 21 des Rahmenvertrages gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege):
- Pflegedienstleitung: 1 : 100 (0,40 VZS in unserem Pflegeheim)
- Qualitätsmanagement: 1 : 150 (0,267 VZS in unserem Pflegeheim)
- Sozialdienst: 1 : 150 (0,267 VZS in unserem Pflegeheim)
Ziehen wir die sich daraus ergebenden 0,934 VZS von unseren ursprünglichen 15,84 VZS ab, bleiben in unserem Pflegeheim noch 14,9 VZS für die direkte Pflege übrig.
Personalschlüssel in der Altenpflege: Vollzeitstellen “direkte Pflege” im Tag- und Nachtdienst berechnen
In unserem Pflegeheim beträgt die tägliche Brutto-Arbeitszeit bei Vollzeit 8 Stunden. Davon müssen wir noch Fehlzeiten abziehen, zum Beispiel für Frei, Urlaub, Feiertage, Mutterschutz und Fortbildungen. Übrig bleibt eine tägliche Netto-Arbeitszeit bei Vollzeit zwischen 4,35 und 4,5 Stunden (Wolfgang Ganz (2014): Strategisches Dienstplanmanagement, ISBN 978-3-86630-340-9, S. 104). Rechnen wir mit der mittleren Netto-Arbeitszeit von 4,375 Stunden pro Tag und Vollzeitmitarbeiter*in weiter:
Für den Nachdienst benötigen wir mindestens eine Pflegekraft pro Nacht, die jeweils 8,5 Stunden inklusive Pause arbeitet. Diese 8,5 Stunden können wir nur dann abdecken, wenn wir im Nachtdienst 1,94 VZS verplanen (8,5 ÷ 4,375).
Somit bleiben dem Tagdienst noch 12,96 Vollzeitstellen (14,9 – 1,94). Täglich sind 24 Stunden plus insgesamt 1,5 Stunden Überlappungszeit für die Übergaben = 25,5 Stunden abzudecken. Wenn der Nachtdienst 8,5 Stunden dauert, müssen noch 17 Stunden Tagdienst besetzt werden. Sind Früh- und Spätdienst gleich lang, sind jeweils 8,5 Stunden zu verplanen. Nach Abzug von jeweils 30 Minuten Pause entsteht ein Arbeitszeitbedarf von 8 Stunden pro Schicht bzw. 16 Stunden pro Tagdienst. Unsere 12,96 VZS im Tagdienst decken täglich insgesamt 56,7 Stunden ab (12,96 × 4,375 Stunden Netto-Arbeitszeit). Hieraus ergeben sich durchschnittlich 3,54 diensthabende Mitarbeitende pro Tag (56,7 ÷ 16).
Personalschlüssel Altenpflege: Schichtbesetzung
Bei 3,54 durchschnittlich eingesetzten Mitarbeitenden und 56,7 Stunden abzudeckenden Stunden im Tagdienst, könnte eine typische Schichtbesetzung in unserem Pflegeheim so aussehen:
Die Summe dieser im Tagdienst verplanten Stunden ergibt 56,5 und damit in etwa die zur Verfügung stehenden 56,7 Stunden. Im Frühdienst setzen wir durchschnittlich 3,56 Mitarbeitende in Vollzeit ein und im Spätdienst 2,5.
Personalschlüssel in der Altenpflege: Zeit je Pflegebedürftigem*r
Lass uns abschließend kurz ermitteln, wieviel Pflegezeit auf eine*n einzelne*n Pflegebedürftige*n entfällt. In unserem Pflegeheim können tagsüber 56,5 Stunden und pro Schicht 28,25 Stunden oder 1.695 Minuten Pflege- und Betreuungsleistungen erbracht werden (28,25 × 60). Für jede*n unserer 40 Bewohner*innen bleibt in jeder Schicht durchschnittlich 42,38 Minuten Pflegezeit übrig (1.695 ÷ 40).
In diesen 42,38 Minuten je Schicht und Bewohner*in müssen all diese Aufgaben erbracht werden:
- Grund- und Behandlungspflege,
- Pflegedokumentation und Pflegeplanung,
- Teamgespräche,
- Angehörigenkontakte,
- Arztkontakte,
- Notfälle und
- Prüfungen durch den MDK.
Personalschlüssel Altenpflege: Fazit
- Der Personalschlüssel Altenpflege zeigt das Verhältnis der Anzahl der Mitarbeitenden zur Anzahl der Pflegebedürftigen.
- Der Personalschlüssel unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland.
- Der Personalschlüssel beinhaltet je nach Bundesland verschiedene Stellen und Funktionen, die keine direkten Pflegeleistungen erbringen.
- Die Pflegezeit, die für jede*n Pflegebedürftige*n nach dem Personalschlüssel in der Altenpflege bleibt, ist knapp.