Warum die Eindämmung von Zeitarbeit nicht funktionieren kann

Worch A1, Meyer F1, Staeck N2, Danneberg H3

1anbosa Personaldienstleistungen GmbH; 2pluss Personalmanagement Berlin GmbH, Niederlassung Care People; 3Flexxicare Personaldienstleistung GmbH

Zusammenfassung

Im Pflegesektor ist die Personalfluktuation hoch. Jede fünfte Pflegekraft erwägt einen Berufsausstieg aus der Pflege. Etwa zwei Prozent aller Pflegekräfte hat sich für Zeitarbeit als Arbeitsmodell entschieden, weil ihre Bedürfnisse hier eher berücksichtigt werden. Die Politik möchte Zeitarbeit einschränken, weil Leistungsanbieter in der Pflege und deren Verbände Personaldiensleister für den Schwund der Stammbelegschaften verantwortlich machen. Die Politik stellt aggressives Abwerben fest und bezeichnet die aktuellen Entwicklungen als „Wildwuchs“ – Leistungsanbieter in der Pflege und deren Verbände beklagen den immensen Anstieg der Verrechnungssätze in Pflegeberufen. Langfristige Überlassungen sollen untersagt werden. Das aber wird nicht zu einem Wechsel in Festanstellungen führen, sondern im Gegenteil zu einer weiteren Arbeitsverdichtung und Abwanderung in andere Berufe. Die losgelöste Debatte führt zu einem allgemeinen Vertauensverlust in Personaldienstleister. Um das Vertrauen in die Zeitarbeit wiederherzustellen haben sich verantwortungsbewusste Personaldienstleister zusammengeschlossen und rufen die Initiative „Faire Zeitarbeit in der Alten- und Krankenpflege“ ins Leben.

Hohe Fluktuation in Pflegeberufen

In nur wenigen anderen Branchen lässt sich eine so immense Fluktuation bei Fachkräften feststellen, wie in der Pflege (Tagesspiegel vom 01.04.2019) mit durch Kostendruck, Flexibilisierung und Ökonomisierung gekennzeichneten Beschäftigungsbedingungen (Schroeder et al. 2018). Weil zu lange und zu viel an Personalkosten gespart wurde, ist die Personaldecke oftmals so dünn geworden, dass sich krankheits- und urlaubsbedingte Ausfälle nicht mehr kompensieren lassen. Dadurch arbeitet ein Großteil des Pflegepersonals ständig an der Belastungsgrenze. Bereits 2010 sehen Bräutigam et al. in der massiven Arbeitsverdichtung im Gesundheitswesen den Hauptverursacher für Fluktuation.
Einen Berufsausstieg aus der Pflege erwägen in Deutschland ca. 18,4 % aller Pflegekräfte (Hasselhorn et al. 2005). Angesichts einer steigenden Anzahl an Pflegebedürftigen ist es aber wichtig, dass sie in den Pflegeberufen verweilen.

Zeitarbeit im Pflegebereich unterrepräsentiert

Gemessen an allen im Juni 2018 sozialversicherten Beschäftigten in der Krankenpflege mit 1,06 Mio. und Altenpflege mit 583.000 ist der Anteil der Zeitarbeitskräfte mit etwa zwei Prozent unterrepräsentiert. Unter allen Beschäftigten beträgt der Anteil der Zeitarbeitskräfte rund drei Prozent (Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2019). Dennoch sind die Beschäftigungszahlen von Zeitarbeitskräften in der Alten- und Krankenpflege in den letzten Jahren stetig angestiegen. In der Krankenpflege erhöht sich ihre Anzahl von 12.000 im Jahr 2014 auf 22.000 im Jahr 2018 – in der Altenpflege im selben Zeitraum von 8.000 auf 12.000 (Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2019:9). So sind im Jahr 2015 ca. 6.200 Zeitarbeitskräfte in bundesdeutschen Krankenhäusern tätig. Das sind lediglich zwei Prozent aller in Vollzeit beschäftigten hauptamtlichen Pflegekräfte – (Albrecht et al. 2017:44). Eine Umfrage ergab, dass ca. 25 % der Krankenhäuser bei entsprechendem Bedarf von Zeitarbeitsfirmen Personal ausleihen (Isfort & Weidner 2007). Neuere Zahlen fehlen. Im Bereich der Altenpflege setzen etwa 40 % der deutschen Heime Zeitarbeitskräfte ein (Evangelische Bank 2019). Ungeachtet dessen ist ein Großteil der Zeitarbeitskräfte in konzerneigenen Betrieben der Krankenhäuser und Pflegeheimketten selbst beschäftigt. Zeitarbeit im klassischen Sinne liegt hier also nicht vor.

Wenngleich das Arbeitsmodell Zeitarbeit in der Pflegebranche noch immer unterrepräsentiert ist, so gewinnt es doch zunehmend an Bedeutung. Dabei entscheiden sich Pflegekräfte nicht allein wegen des höheren Verdienstes und der bezahlten Überstunden für eine Anstellung in der Zeitarbeit, sondern vor allem auch wegen der Möglichkeit den Dienstplan zu beeinflussen, und der Dienstplanverbindlichkeit in diesem Arbeitsmodell (Bundesagentur für Arbeit 2018). Noch immer sind Anstellungen in der Mehrheit der Gesundheitseinrichtungen an die Bereitschaft in einem Drei-Schicht-System zu arbeiten geknüpft. Für Alleinerziehende, die bspw. an die Öffnungszeiten der Kitas gebunden sind oder Menschen, die ihre Angehörigen pflegen, sind solche Bedingungen nicht möglich. Zeitarbeitsunternehmen können diese Menschen jedoch in die Pflege integrieren – und das liegt in der Organisation von Zeitarbeit begründet – weil hier Arbeitszeiten planbar sind und eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie dadurch besser gelingt. So ermöglicht Zeitarbeit erfreulicher Weise den Zugriff auf einen großen Anteil der in Pflegeberufen ausgebildeten Arbeitskräfte, die es ohne Zeitarbeit nicht in der direkten Pflege gäbe.
Pflegekräfte entscheiden sich aber auch für Zeitarbeit, weil sie den Wunsch haben, in verschiedenen Versorgungsbereichen und -formen zu arbeiten um ihre Kenntnisse zu erweitern und so für die Versorgung einer steigenden Anzahl an Menschen mit Mehrfacherkrankungen gewappnet zu sein. Zeitarbeit schafft damit hochqualifizierte Fachkräfte, die in den verschiedensten Versorgungsbereichen mit ihren jeweiligen Besonderheiten überall einsetzbar sind.

Dennoch entscheiden sich – wie einleitend beschrieben – insgesamt nur sehr wenige Pflegekräfte für die Anstellung bei einem Zeitarbeitsunternehmen, denn nicht jede tauscht einen festen Arbeitsplatz gegen wechselnde Einsatzorte und eine höhere Flexibilität ein.

Die Rolle der Personaldienstleister

Personaldienstleister bieten in der Regel eine große Bandbreite an Dienstleistungen an, die sich in assistierende Dienstleistungen, wie beispielsweise das klassische Personalleasing, und beratende Dienstleistungen, wie zum Beispiel Personalentwicklung und Coaching, untergliedern lassen. Erfahrene Personaldienstleister helfen nicht nur bei kurzfristigen Ausfällen, sondern vor allem im Bereich der langfristigen Überlassungen. So kann der Einsatz von Zeitarbeitskräften dabei helfen einen Zeitraum zu überbrücken, bis eine Einrichtung wieder ohne Fremdpersonal auskommt. Dieser Fortschritt lässt sich häufig nur mittels langfristigen Personalüberlassungen erreichen, die das Stammpersonal entlasten, weil dadurch insbesondere das häufige Einspringen reduziert werden kann. Dies führt zu einer deutlich höheren Zufriedenheit des Personals und idealerweise zum längeren Verbleib im Unternehmen. Im nächsten Schritt können durch den sukzessiven Aufbau der Stammbelegschaft die Personalüberlassungen zunehmend reduziert werden.

In der aktuellen Situation in der Pflegebranche zeigt sich, dass sich die Zeitarbeit in der Pflege von Zeitarbeit in anderen Bereichen unterscheidet. Sie wird hier „weitgehend nicht zur Kompensation von Auftragsspitzen eingesetzt, sondern eher als Mittel zur Aufrechterhaltung der Versorgung bei zu geringer Personalausstattung“ (Bräutigam et al. 2010:1). Zeitarbeit im Pflegebereich ist der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) nach ein hilfreiches Instrument zur Entlastung der Stammbelegschaften sowohl bei kurzfristigen Personalausfällen als auch bei der Sicherstellung betrieblicher Personalschlüssel und Stellenkontingente (BMG 2019, Arbeitnehmerkammer Bremen 2011). Doch damit soll bald Schluss sein.

Politische Regulierung von Zeitarbeit in der Pflegebranche

Wenn es aktuell nach der Arbeitsgruppe „Konzertrierte Aktion Pflege“ (BMG 2019) und der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung im „Berliner Pakt für die Pflege“ (SenGPG 2019a) geht, soll Zeitarbeit im Krankenhaus streng reguliert und eingedämmt werden. Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci möchte zusammen mit einigen Leistungsanbietern und deren Verbänden den Einsatz von Zeitarbeitskräften im Krankenhaus nur noch bei kurzfristigen Personalausfällen erlauben. Die Politik reagiert, weil Einrichtungen ein gezieltes Abwerben von Pflegepersonal (vor allem im intensivmedizinischen Bereich) feststellen und sich somit der Mangel vermeintlich noch verschärft.

Genau die Politik, die es jahrzehntelang versäumt hat, Bedingungen zu schaffen für eine hohe berufliche Zufriedenheit und Anreize, um in diesem wichtigen gesellschaftlichen Feld zu arbeiten, macht jetzt Zeitarbeitsunternehmen für die Fluktuation der Stammbelegschaften verantwortlich. Dabei hat sie verkannt, dass sich Pflegekräfte sehr wohl darüber bewusst sind, stark umworbenen Berufsgruppen anzugehören. Es liegt auf der Hand, dass sie die Chancen und Angebote eines freien Arbeitsmarktes nutzen und dorthin wechseln, wo bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung vorgehalten wird – das sind im Übrigen nicht nur Personaldienstleister. Auf einem freien Arbeitsmarkt „konkurrieren attraktive Arbeitgeber mit weniger attraktiven Arbeitgebern“ (BAP 2019). Studienergebnisse belegen, dass ein Abwerben von Pflegekräften auf Intensivstationen besonders stark ausgeprägt ist. Der Konkurrenzkampf scheint dabei vor allem zwischen den Kliniken zu existieren. Zeitarbeitsfirmen stellen eine eher geringe Problematik dar (Isford & Weidner 2012).

Es ist anzunehmen, dass ein Verbot von langfristigen Überlassungen negative Auswirkungen u. a. auf Pflegekräfte und Personalverantwortliche hat. Die Einarbeitung von Zeitarbeitskräften findet in der Regel unter hohem Zeitdruck statt, da der Personalengpass bereits eingetreten ist (Arbeitnehmerkammer Bremen 2011). Zweifelsfrei führen gerade kurzfristige Überlassungen im Vergleich mit langfristigen zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung bei Stammbeschäftigten, z. B. verursacht durch das Kennenlernen, die Einarbeitung in die betrieblichen Prozesse und häufige Nachfragen oder aus Betriebs- und Organisationsunkenntnis entstehende Fehler (ebd.). Mehrere kurzfristige Überlassungen verursachen aber nicht allein in der direkten Pflege, sondern auch bei Personalverantwortlichen einen immens höheren zeitlichen und organisatorischen Aufwand als eine langfristige Überlassung, der sich u. a. aus den Prozessen der externen Personalbeschaffung im eigenen Unternehmen und den Pflichten aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ergeben.

Initiative „Faire Zeitarbeit in der Alten- und Krankenpflege“ für mehr Transparenz und Vertrauen in Zeitarbeit

Dennoch sind die Forderungen auf politischer Ebene nicht gänzlich unbegründet und von verantwortungsbewussten Personaldienstleistern zum Teil nachvollziehbar. In der Branche ist man informiert und steht im Austausch. Man hört von utopisch hohen Stundenlöhnen, dem aggressiven Abwerben mit horrenden An- und Abwerbeprämien, übertrieben hohen Verrechnungssätzen und in der Folge stark gestiegenen Personalausgaben von bis zu 89 Prozent (vgl. ÄrzteZeitung, 08.05.2019) in den Gesundheitseinrichtungen. Dass sich Zeitarbeitsfirmen aber eine „goldene Nase verdienen“ (Bach 2019), kann so nicht stehen gelassen werden. Vergessen wird dabei, dass der sogenannte Verrechnungssatz, den ein Gesundheitsunternehmen an die beauftragte Zeitarbeitsfirma bezahlt, bereits die Arbeitgeber-Anteile zur Sozialversicherung und Berufsgenossenschaft enthält, sowie auch die Rücklagen für Urlaub, Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall, verleihfreie Zeiten und Fort- und Weiterbildungszeiten der Mitarbeitenden. Dennoch ist nicht auzuschließen, dass Verrechnungssätze von einzelnen Personaldienstleistern zum Teil deutlich zu hoch angesetzt werden und somit die aktuelle Mangelsituation der Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen für den eigenen Vorteil genutzt wird. Wohlbemerkt verfahren so jedoch nur wenige Personaldienstleister und deshalb ist es falsch, die gesamte Branche per sé für die aktuelle Situation verantwortlich zu machen.

Für mehr Transparenz und Vertrauen soll die von den verantwortungsbewussten Berliner Personaldienstleistern: anbosa Personaldienstleistungen GmbH; pluss Personalmanagement Berlin GmbH, Niederlassung Care People und Flexxicare Personaldienstleistung GmbH ins Leben gerufene Initiative „Faire Zeitarbeit in der Alten- und Krankenpflege“ sorgen. Durch Selbstkontrolle möchten sie Bedingungen schaffen, die nicht nur den beruflich Pflegenden, sondern auch den Gesundheitseinrichtungen angemessen erscheinen. Personaldienstleister, welche die Initiative „Faire Zeitarbeit in der Alten- und Krankenpflege“ unterstützen, versprechen:

  • bezahlbare/ zumutbare Verrechnungssätze,
  • kein aggressives Abwerben (z. B. durch An- und Abwerbeprämien),
  • keine Anstellungen aus Entleihbetrieben und
  • die betriebliche Weiterbildung der Zeitarbeitskräfte.

Alle die Initiative unterstützenden Unternehmen distanzieren sich damit ausdrücklich davon, den personellen Notstand in der Pflege weiter verschärfen zu wollen durch das Abwerben von festangestellten Mitarbeitenden und lehnen es außerdem ab, unrealistisch hohe Stundenverrechnungssätze von den Pflegeunternehmen zu verlangen. Sie sehen sich nicht als Konkurrenten oder gar Gegner ihrer Kunden, sondern vielmehr als deren Partner zur Unterstützung und Überbrückung von temporären Personalengpässen.

Fazit

Die strukturellen Defizite in der Pflege haben einen Wandel des deutschen Pflege-Beschäftigungssystems verursacht. Weil sich in Festanstellungen die Lücke zwischen den beruflichen Anforderungen und der Belohnung stark geweitet hat und eine grundlegende Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen herrscht, entscheiden sich zunehmend mehr Pflegekräfte für das Arbeitsmodell „Zeitarbeit“.

Ganz zum Ärgernis von Politik und einigen Verbänden der Leistungsanbieter, die der Zeitarbeitsbranche ein gezieltes Abwerben von Pflegepersonal vorwerfen. Zeitarbeit soll eindämmt werden mit dem Ziel, mehr Pflegende in Festanstellungen zu bringen.

Eine Eindämmung, wie geplant, wird keinen Zuwachs innerhalb der Stammbelegschaften schaffen, sondern weitere Lücken. Warum? Weil Alternativen zur Zeitarbeit fehlen und weil Pflegepersonaluntergrenzen eingehalten werden müssen, wird ein Verbot von langfristigen Überlassungen in Krankenhäusern unweigerlich zur Zunahme von kurzfristigen Überlassungen führen und damit zu einer deutlichen Mehrbelastung aller Beteiligten. So steigt der zeitliche und organisatorische Aufwand im Rahmen der Fremdpersonalbeschaffung und Einarbeitung neuer Zeitarbeitskräfte. Das wiederum ist sehr wahrscheinlich an weitere Kündigungen von Festangestellten und Berufsaustritte gekoppelt, denn Arbeitsverdichtung gilt als Auslöser von Fluktuation. Eine Untersagung langfristiger Überlassungen würde zudem zu einer weiteren Abnahme von Planbarkeit und Dienstplansicherheit beim Stammpersonal führen, wenn Dienstpläne auf Grund von unbesetzten Stellen nicht geschrieben werden können. Die Folgen sind schwerwiegend und reichen von einer weiter zunehmenden Verunsicherung und Unzufriedenheit bis hin zum Berufsausstieg.

Mit der Eindämmung soll ein Bereich bestraft werden, in dem ein sehr kleiner Teil der professionell Pflegenden bei angemessenen Löhnen und Arbeitsbedingungen ihren Beruf ausüben. Auch wenn sich alle Zeitarbeitskräfte für eine Festanstellung entscheiden, werden keine gesunden Personaldecken in allen Einrichtungen der Krankenpflege im Bundesgebiet entstehen, denn vor dem Hintergrund eines zu sehr ausgeprägten strukturellen Personalmangels in der Pflege ist die Anzahl der Zeitarbeitskräfte, die in dieser Branche arbeiten, zahlenmäßig zu unbedeutend. Unabhängig davon ist es unter den aktuellen Gegebenheiten schwer vorstellbar, dass sich Zeitarbeitskräfte im Pflegebereich zurück in ungeliebte Festanstellungen mit schlechten Arbeitsbedingungen drängen lassen. Auch werden Pflegekräfte, die sich wegen der vielfältigen Einsatzoptionen, die ihnen Zeitarbeit bietet, kaum für eine Festanstellung begeistern lassen. Daher ist zu befürchten, dass sich durch ein Verbot der Zeitarbeit der Personalmangel noch verschärft, wenn ein Teil der Zeitarbeitskräfte daraufhin der Pflege ganz den Rücken zukehren sollte.

Damit sich mehr beruflich Pflegende für eine Festanstellung entscheiden, müssen sich zunächst mehr Menschen für eine Arbeit in der Pflege entscheiden. Um das zu erreichen sind wirksame Maßnahmen auf politischer Ebene und in Gesundheitseinrichtungen selbst erforderlich, die eine Attraktivitätssteigerung der Pflegeberufe zum Ziel haben. Auf der politischen Ebene müssen Anreize geschaffen werden, um in diesem wichtigen gesellschaftlichen Feld zu arbeiten. Das kann nur dann gelingen, wenn erkannt wird, dass pflegerische Dienstleistungen als personennahe Dienstleistungen von einer herausragendenden gesellschaftlichen Bedeutung sind. In der Pflege geht es nämlich um die Arbeit am und mit Menschen und eben nicht um Tätigkeiten an Sachgegenständen oder um Finanzdienstleistungen. Es verlangt nach einer wirksamen Aufwertung der Pflegeberufe, die bei der angemessenen Entlohnung als ein Zeichen von Anerkennung beginnen muss. Es gilt die Fragen zu beantworten, wieviel Wert die hochwertige Versorgung kranker und pflegebedürftiger Menschen hat, wer sie finanziert und wieviel.

Neben der Politik müssen Gesundheitseinrichtungen Bedingungen schaffen für eine hohe berufliche Zufriedenheit ihrer festangestellten Pflegekräfte. Sie sind neben dem ärztlichen Personal das Aushängeschild einer jeden Klinik und eines jeden Pflegeheims. Pflegekräfte haben den häufigsten Kontakt zu Patienten/innen und Bewohnern/innen. Nicht wertgeschätzte, unterbezahlte und gestresste Pflegekräfte sind keine gute Werbung für eine Gesundheitseinrichtung. Bessere Arbeitsbedingungen und ein angemessener Lohn könnten dazu beitragen, das Bild der jeweiligen Gesundheitseinrichtung in den Augen der Bewohner- oder Patientenschaft zu verbesseren. Deshalb müssen auf der Ebene der Gesundheitseinrichtungen Maßnahmen für gesunde Arbeitsbedingungen geschaffen werden, welche die Wünsche und Anerkennungsansprüche der Beschäftigten berücksichtigen. Anderenfalls erscheint es nicht verwunderlich, dass sich Pflegekräfte einen Arbeitgeber suchen, der ihre Bedürfnisse stärker berücksichtigt – und das sind zunehmend auch Zeitarbeitsfirmen. Ein Verbot der Zeitarbeit würde in erster Linie diejenigen Pflegekräfte bestrafen, die in der Zeitarbeit für sich die letzte Möglichkeit sehen, in der Pflege zu verbleiben.

Und weil die oben skizzierten Maßnahmen bislang fehlen, können Zeitarbeitsunternehmen keinesfalls für den Schwund von Stammbelegschaften als Symptom des Fachkräftemangels generalverantwortlich gemacht werden. Verkannt wird in der aktuellen Debatte aber vor allem eins: Pflegekräfte sind sich sehr wohl darüber bewusst, stark umworbenen Berufsgruppen anzugehören. Selbstverständlich nutzen sie genauso wie Arbeitskräfte in anderen Branchen die Chancen und Angebote eines freien Arbeitsmarktes und wechseln dorthin, wo bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung vorgehalten wird. Auf einem freien Arbeitsmarkt konkurrieren attraktive mit weniger attraktiven Arbeitgebern – nicht aber Branchen, so wie es die Politik und einige Leistungsanbieter gerade sehen wollen. Und deshalb überrascht es nicht, dass das Buhlen um zu wenige Pflegekräfte vor allem zwischen den Kliniken existiert. Zeitarbeitsfirmen stellen eine eher geringe Problematik dar. Und schließlich darf nicht vergessen werden, dass Zeitarbeit in der Pflege ihren Anteil dazu beigetragen hat, den strukturellen Fachkraftmangel abzufedern. Weil sie die Interessen und Bedürfnisse von Pflegenden besser berücksichtigen kann, ist es ihr gelungen, Pflegekräfte im Beruf zu halten oder „an‘s Bett“ zurück zu holen, die ohne Zeitarbeit nicht mehr in der Pflege arbeiten würden.

Wer Schuldige sucht, findet sie vielmehr in der Politik der letzten Jahrzehnte und bei Personalverantwortlichen in Gesundheitseinrichtungen mit hohem Personalmangel. Vorwürfe, Behauptungen und Regulierungen gegen, über und von Zeitarbeit – wie in der aktuellen Auseinandersetzung zu bemerken – sind aber nicht bei der Lösungsfindung behilflich, wohl aber die Etablierung von Konzepten, die auf eine bessere Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterbindung in den Stammbelegschaften abzielen. Und genau hieran sollten nicht nur Politik und Leistungsanbieter beteiligt sein, sondern vor allem auch wegen ihres Know Hows in diesem Bereich: Personaldienstleister. Durch gezielte Einsätze im Rahmen von Zeitarbeit können festangestellte Mitarbeitende im Unternehmen gehalten und ihre Anzahl sukzessive aufgestockt werden, denn Fremdpersonaleinsätze tragen maßgeblich zur Dienstplanverbindlichkeit und -souveränität bei. Und das wiederum zu einer hohen Arbeitszufriedenheit und schließlich im Idealfall zum Verbleib im Unternehmen.

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